Die Liebe, nach der wir streben sollten

„Da ihr eure Seelen gereinigt habt durch den Gehorsam gegen die Wahrheit zur ungeheuchelten Bruderliebe, so liebet einander mit Inbrunst aus reinem Herzen”. - 1. Petrus 1:22

Das Wort „Seelen” in dieser Schriftstelle hat, wie gewöhnlich, die Bedeutung von Wesen, und zwar einschließlich des Körpers. Bei der Reinigung handelt es sich um eine Reinigung des Herzens - womit die Gedanken, der Willen, die Beweggründe und Absichten gemeint sind. Sie sollte in einer solchen Weise geschehen, daß die Folgen einer Reinigung auch äußerlich im Lebenswandel sichtbar werden.

Wir reinigen unsere Seelen - das heißt, unsere Seelen werden gereinigt (oder sie sind gereinigt worden, wenn wir Geheiligte sind) - durch den Gehorsam der Wahrheit mittels des Geistes. Die Voraussetzung dafür ist, daß wir die Wahrheit kennen. Wir müssen nicht unbedingt die ganze Wahrheit kennen und verstehen, aber sicherlich die grundsätzlichen Aspekte der Wahrheit:

-  die Wahrheit, daß Gott Sünde verurteilt

-  die Wahrheit, daß die gesamte Menschheit unter diese Verurteilung gekommen ist

-  die Wahrheit, daß Gott einen Weg der Befreiung von dieser Verurteilung, die auf der Welt ruht, vorgesehen hat

-  die Wahrheit, daß es nur einen Weg gibt, auf dem wir Teilhaber dieser göttlichen Einrichtung werden können, nämlich auf dem Wege der Glaubens-Rechtfertigung durch den Christus in Verbindung mit dem Kreuz, daß wir auf uns nehmen, um in seinen Fußstapfen zu folgen.

Als wir uns im Geist und in Wahrheit dem Herrn im Glauben hingaben, wurden uns unsere Sünden vergeben. Wir wurden als Neue Schöpfungen in Christo Jesu angenommen. Unsere Seelen wurden gereinigt. Wir begannen einen neuen Lebenslauf.

Im voranstehenden Schriftwort sagt der Apostel auch, daß, nachdem wir die herrliche Umgestaltung unseres Charakters durch die Erkenntnis und den Gehorsam gegen den Geist der Wahrheit an uns erfahren haben, wir gelernt haben sollten, mit „ungeheuchelter Liebe” die Brüder zu lieben. Damit ist eine echte Liebe ohne Vorspiegelung zu verstehen - nicht etwa lediglich ein äußerer Schein, ein freundliches Gesicht oder freundliches Händeschütteln. Nein, wir haben durch diesen Geist erkannt, daß alle, die dem kostbaren Blute vertrauen und unserem geliebten Erlöser geweiht sind und nach seiner Leitung zu wandeln trachten, „Brüder” sind, ungeachtet ihrer Nationalität, Hautfarbe, Bildung, Armut oder ihres Aussehens.

Wenn wir so denken und fühlen, haben wir einen Zustand erlangt, in dem unsere Herzen so vom Geist unseres Herrn erfüllt sind, daß wir in Wahrheit sagen können, wir lieben die Brüder mit einer Liebe, die aufrichtig und ungeheuchelt ist.

Nachdem wir so auf dem guten Weg vorangekommen sind, zeigt uns der Apostel, daß es noch einen weiteren Fortschritt bei der Entwicklung der Liebe gibt und weist uns an, nach was wir nun suchen müssen, um unsere Herzen rein zu erhalten: „Liebet einander mit Inbrunst aus reinem Herzen”. Wir müssen sie nicht nur als Brüder betrachten und ihnen eine ungeheuchelte Liebe entgegenbringen, sondern wir sollten das zugrundeliegende Prinzip unserer Stellung zum Herrn und ihrer Stellung zum Herrn anerkennen: Sie sind, wie wir, Neue Schöpfungen in Christo. Und so sollte uns diese Liebe ein großes Mitgefühl für sie verleihen und in uns den Wunsch erwecken, zu tun, was wir können, um sie zu ermutigen und ihnen beizustehen.

Uneigennützige Liebe

Diese Liebe unterscheidet sich von jeder anderen Liebe - die brüderliche Liebe. Sie ist uneigennützig, so warm, so mächtig, daß wir dazu bereit sein werden, unser Leben für die Brüder niederzulegen. Solche Liebe hat uns der Himmlische Vater erwiesen. Während wir noch Sünder waren, liebte Er uns. So ist auch die Liebe Jesu: selbstlos, rein, wohlwollend - es ist eine Liebe, die uns um unserer selbst willen etwas Gutes tut und nicht in der Hoffnung, von uns etwas zu empfangen.

Der Apostel sagt nicht nur, daß wir solche Liebe haben sollten, sondern auch, daß sie inbrünstig sein soll, warm, ernst. Es soll keine halbherzige Liebe sein, sondern eine mit wirklichem Interesse für das Wohlergehen anderer - der Reichen sowohl, als auch der Armen, der Gebildeten sowohl als auch der Unwissenden. Wenn wir bei anderen einen Mangel erkennen, sollte es unsere Liebe bewirken, daß wir ihm, so weit wir es können, einen Beistand leisten. Dabei müssen wir selbstverständlich Weisheit anwenden, und diese wird uns durch die rechte Liebe gelehrt, so daß unsere Absichten rein bleiben, während wir uns bemühen, anderen Gutes zu erweisen.

Der Apostel fordert uns dazu auf, solche Erfahrungen zu suchen und nicht nur das Prinzip anzuerkennen - in unserem eigenen Leben muß es sich offenbaren. Es wäre unnatürlich, wenn wir nicht jene Gesinnung besäßen, die vergibt, wenn sich andere gegen uns vergehen. Wenn wir aber den Umstand bedenken, daß die gesamte Menschheit gefallen und erblich gesunken ist, so werden wir Mitleid empfinden. Sind einige tiefer gesunken, so sollten wir um so größeres Mitleid für sie haben. Bewegen sich unsere Gedanken in solchen Bahnen, so wird sich unsere Liebe und unser Mitleid für andere vermehren, und die Neue Schöpfung wird sich dementsprechend entwickeln.

Unser Herr Jesus sagt: „Liebet einander, wie ich euch geliebt habe”. Diesen Maßstab sollte wir immer vor Augen haben. Unsere Liebe für die Brüder konnte anfänglich nur im Gehorsam gegen dieses Gebot geschehen. Wenn wir aber voranschreiten und das göttliche Gebot befolgen, vermehrt sich unsere Liebe, und unser Mitleid für andere nimmt zu. Der Apostel warnt uns daher, dies nicht zu vernachlässigen. Verfehlen wir aber, auf diese Warnung zu achten, so gehören wir nicht zu denen, die der Vater erwählt. Dies können wir daraus erkennen, daß der Apostel uns sagt, daß Gott zuvorbestimmt hat, daß alle Glieder des Leibes Christi Seine Ebenbilder sein müssen - Ebenbilder, indem sie diese ungeheuchelte und inbrünstige Liebe besitzen.

Stark im Herrn nach dem Maß der Erkenntnis

Niemend kann stark im Herrn werden, es sei denn, daß er auch in der Erkenntnis zunimmt. Zu Recht schätzen wir diejenigen am meisten, deren Liebe für den Herrn und für die Wahrheit sich durch ihren Eifer für das Studium Seines Wortes offenbart, und deren Gunst bei Gott dadurch zutage tritt, daß sie immer mehr zum Verständnis der tiefen Dinge Gottes kommen.

Die schwächeren Glieder des Haushalts des Glaubens sollen eine angemessene Fürsorge und Liebe und Hilfe erfahren, damit sie stark werden im Herrn. Gerade hierüber fügt der Apostel eine weitere Aufforderung hinzu: „Wir aber, die Starken, sind schuldig, die Schwachheiten der Schwachen zu tragen und nicht uns selbst zu gefallen”. - Römer 15:1 Das soll nicht heißen, daß wir mit einer derartigen Person nicht in ein ernsthaftes Gespräch eintreten und versuchen sollten, ihr zu helfen, ihre Schwachheiten zu erkennen und los zu werden. Das sollten wir im Geist der Demut und Freundlichkeit selbstverständlich tun, während wir mit Sanftmut die Prüfung unserer Geduld ertragen und nicht uns selbst, sondern vielmehr dem schwächeren Bruder oder der schwächeren Schwester zu gefallen suchen. „Ein jeder von uns”, wie der Apostel sagt, „gefalle dem Nächsten (Bruder) zum Guten, zur Erbauung”. Das bedeutet nicht, daß wir über dessen Fehler hinwegsehen sollten, als ob wir ihn billigten, sondern daß wir ihn dazu anhalten, dagegen anzukämpfen, während wir für uns selbst unterdessen in Demut und mit Geduld diese Unannehmlichkeit ertragen.

Wenn unter den Gliedern des Leibes Jesu Christi, unseres Herrn, dieser Geist vorherrscht, so werden alle Glieder eine gegenseitige Liebe und Fürsorge füreinander besitzen. Dies ist eine Fürsorge, die danach strebt, alles, was gut ist, zu fördern und zu stärken, und alles, was sich nicht gehört, zu mißbilligen. Es wird eine Liebe sein, die dazu dient, ihren Deckmantel über das Unschöne zu werfen und die den Fehler zu verbergen sucht, um den schwächeren Bruder nicht Vorwürfen von seiten anderer auszusetzen.

Zur Betätigung dieser aufopfernden Liebe ist der Geist der Demut und Sanftmut, der Geduld und des Glaubens in einem besonders großem Maß notwendig! Wie inhaltsreich und wichtig sind die Worte unseres Meisters: „Wenn ihr nicht umkehret (vom Geist der Welt zum Geist Christi) und werdet wie die Kindlein (in Demut und mit Verlangen nach Belehrung), so werdet ihr nicht in das Reich der Himmel eingehen”. - Matthäus 18:1 - 3



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