Fangfragen

Die religiösen Führer Israels, die Pharisäer und Schriftgelehrten, sahen sich in der heiklen Lage nicht zu wissen, was sie mit Jesus anfangen sollten. In ihrer Gedankenwelt war Jesus ein Hochstapler, der sich eine Stellung, einen Platz anmaßte, der ihm in ihren Augen unmöglich zustand.

Wohl sahen sie in Jesus einen hervorragenden Lehrer, der immensen Einfluß auf das Volk hatte; dennoch waren sie sich einig darin, daß Mittel und Wege gefunden werden mußten, Jesus zu beseitigen.

Der Herr hatte nicht direkt gesagt, daß er der Messias ist, aber die religiösen Führer wußten, daß Jesus seinen Jüngern zugesichert hatte, sie würden in sein Reich eingehen, wenn er auferstanden ist. Daraus zogen sie den Schluß, daß Jesus regieren würde, also König sein würde.

Viel spricht dafür, daß Jesu Gespräch mit der Samariterin - Johannes 4:25 und 26 - bekannt geworden war: „Ich weiß, daß der Messias kommt, welcher Christus genannt wird; wenn jener kommt, wird er uns alles verkündigen. Jesus spricht zu ihr: Ich bin’s, der mit dir redet.”

Die Obersten des Volkes in dieser Zeit hatten zweifellos Angst um ihre Privilegien, um ihre Ehrenstellung und um ihre Posten.

Jesus redete, er lehrte das Volk, daß das langersehnte Reich Gottes in der Zukunft auf Erden aufgerichtet wird. Das Volk hörte Jesus zu, und was er lehrte, erhielt Gewicht und Tiefe durch seine Wundertaten, die Ausdruck und Nachweis seiner Macht waren.

Die religiösen Führer waren überzeugt, daß Jesus eine neue Sekte gründete, die ihrer Meinung nach etwas völlig anderes verkündete als alle bekannten Sekten oder Vereinigungen, und daher hatten sie Angst, ihre Privilegien und ihren Einfluß auf das Volk zu verlieren.

Alle Angehörigen der Führungsschicht, auch wenn sie unterschiedliche Richtungen vertraten, untereinander verschiedener Meinungen waren und in ihrem Verständnis mancher Punkte weit auseinander lagen, arbeiteten für das Wohl und den Ruhm des römischen Kaisers, dessen Macht sie unterstanden. Sie gaben vor, dem Volk zu helfen und ihm mehr Freiheiten zu verschaffen; wenn nun eine neue Sekte durch den Nazaräer entstand und sich ausbreitete, dann würde ihr jeweiliger Einfluß in Rom schwinden, denn diese neue Sekte würde einem Aufstand gegen den Kaiser gleichkommen und auch gegen die Regierungsbeamten, die den Senat bildeten.

Die Römer schätzten das jüdische Volk als aufsässiges Volk ein, und jeder Statthalter war bestrebt, das Vertrauen des Volkes zu gewinnen, um zu beweisen, daß er Herr der Lage war. Daher betrachtete man diese neue religiöse Bewegung als Störfaktor für die bestehenden religiösen Gliederungen und für das jüdische Volk als Ganzes.

Deshalb waren die führenden Persönlichkeiten überzeugt, daß Jesus um ihrer gerechten Sache willen beseitigt werden mußte, und daher bündelten sie ihre Kräfte, um einen Weg für sein Verschwinden zu finden.

Anhand der Schriftzeugnisse läßt sich nachvollziehen, daß die geistlichen Führer des jüdischen Volkes seit der Auferweckung von Lazarus im Herzen danach trachteten, Jesus zu töten. Johannes 11:47 - 53: „Da versammelten die Hohenpriester und die Pharisäer den Hohen Rat und sprachen: Was tun wir? Denn dieser Mensch tut viele Zeichen. Wenn wir ihn so lassen, werden alle an ihn glauben, und die Römer werden kommen und unsere Stadt wie auch unsere Nation wegnehmen. Einer aber von ihnen, Kaiphas, der jenes Jahr Hoherpriester war, sprach zu ihnen: Ihr wißt nichts und überlegt auch nicht, daß es euch nützlich ist, daß ein Mensch für das Volk sterbe und nicht die ganze Nation umkomme. Dies aber sagte er nicht aus sich selbst, sondern da er jenes Jahr Hoherpriester war, weissagte er, daß Jesus für die Nation sterben sollte; und nicht für die Nation allein, sondern daß er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte. Von jenem Tag an ratschlagten sie nun, um ihn zu töten.”

Der Mann mit der verdorrten Hand

Markus 3:1 - 6: „Und er ging wieder in die Synagoge; und es war dort ein Mensch, der eine verdorrte Hand hatte. Und sie lauerten auf ihn, ob er ihn am Sabbat heilen würde, damit sie ihn anklagen könnten. Und er spricht zu dem Menschen, der die verdorrte Hand hatte: Steh auf und tritt in die Mitte! Und er spricht zu ihnen: Ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun, das Leben zu retten oder zu töten? Sie aber schwiegen. Und er blickte auf sie umher mit Zorn, betrübt über die Verhärtung ihres Herzens, und spricht zu dem Menschen: Strecke die Hand aus! Und er streckte sie aus, und seine Hand wurde wiederhergestellt. Und die Pharisäer gingen hinaus und hielten mit den Herodianern sofort Rat gegen ihn, wie sie ihn umbringen könnten.”

Sein triumphaler Einzug in Jerusalem, als das Volk „Hosianna dem Sohn Davids” rief, bestärkte sie um so mehr in ihrer Entschlossenheit, den Messias umzubringen.

Wir denken noch an eine andere Begebenheit, nämlich die, als Jesus mit Mut, Autorität und Macht die Händler aus dem Tempel vertrieb. Auch dort waren viele Leute Jesus gefolgt und standen dabei. Daher mußten die Führer einen geheimen und schnell wirksamen Plan beschließen.

Und sie hatten eine Idee: Jesus ins Unrecht zu setzen, ihm einen Fehler nachzuweisen, ihn in Verlegenheit zu bringen, ihn bei einem Ausspruch zu ertappen, zu zeigen, daß er ein Gegner des herrschenden Regimes ist, um ihn bei Pilatus anzuklagen.

Wie aber sollten sie dies bewerkstelligen? Welchen Vorwurf, welche Anklagepunkte sollten sie geltend machen? Nicht Jesus selbst hat sich zum König ausgerufen, sondern das Volk hat ihn als seinen König empfangen. Daher suchten sie Jesus eine Verfehlung, eine Übertretung des Gesetzes, nachzuweisen, um einen Vorwand zu haben ihn vor Pilatus als jemand darzustellen, der ein Feind der römischen Macht war.

Sie suchten nach einem Beweis, um Jesus aburteilen und töten zu können.

Die Römer ließen die Juden ihre Angelegenheiten selbst regeln - unter einer Bedingung, daß nämlich das jüdische Volk den fälligen Tribut bezahlt und sich Rom gegenüber loyal verhält.

Als Pilatus und seine Truppen nach Jerusalem kamen, geschah dies nicht mit dem Ziel, die Gesetze der Juden auszuschalten, sondern um den Frieden und die Würde der römischen Herrschaft aufrechtzuerhalten.

Das Ziel der jüdischen Führer war es, Jesus eine Falle zu stellen; sie wollten ihn bei einer Aussage ertappen, die eine Anklage rechtfertigen würde. Aus diesem Grund suchten manche Pharisäer und Herodianer den Kontakt mit Jesus und versuchten ihn herauszufordern.

Die Pharisäer waren fest davon überzeugt, daß die Juden als Gottes Volk über die anderen Reiche herrschen sollten und daher anderen Regierungen gegenüber weder tribut- noch steuerpflichtig waren. Dieser ihr Standpunkt war durchaus nicht allgemein bekannt, und das mit gutem Grund: Sie hatten Angst, daß er den Römern zu Ohren kommt, und daß sie des Hochverrats angeklagt würden.

Was die Herodianer anbelangt, so bildeten diese weder eine spezielle Religionsgruppierung noch eine politische Partei; es waren Juden, die hohe Ämter im Dienste der herodianischen Dynastie und somit auch der den König stützenden Römer innehatten. Sie waren Parteigänger der Könige in einem Land, in dem die Bevölkerungsmehrheit fest entschlossen in Opposition zu diesem Regime stand. Die Herodianer behaupteten demnach im Gegensatz zu den Pharisäern, daß es normal ist, daß die Juden der Regierung Steuern bezahlten, denn sie stünden unter dem römischen Protektorat und dieses Protektorat verschaffe ihnen Wohlstand und gedeihliche Entwicklung.

Die Mehrheit des jüdischen Volkes stand hinter den Pharisäern und lehnte die Einstellung der Herodianer ab; daher gingen die Anhänger beider Lager an die Orte, wo Jesus den Leuten predigte und stellten ihm in aller Öffentlichkeit Fragen, damit jedermann die Antwort hören konnte, mit dem Ziel, Jesus in Schwierigkeiten zu bringen. Sie hofften, daß unser Herr mit seiner Antwort entweder die Position der Herodianer einnehmen und sagen würde, daß es normal ist, diese Abgaben zu zahlen, und daß er damit das Vertrauen des Volkes verlöre, oder daß er zeigt, er stehe auf der Seite der Pharisäer und des Volkes und vertrete wie sie die Meinung, die Zahlung der Abgaben sei unrechtmäßig und gegen Gottes Gesetze, was bedeuten würde, daß er gegen die herrschenden Gesetze predigen würde.

So stellten sie ihm folgende Frage - Markus 12:14: „Lehrer, wir wissen, daß du wahrhaftig bist und dich um niemand kümmerst; denn du siehst nicht auf die Person der Menschen, sondern lehrst den Weg Gottes in Wahrheit. Ist es erlaubt, dem Kaiser Steuer zu geben oder nicht? Sollen wir sie geben oder nicht geben?”

Unser Herr verstand sofort, was sie wollten, und er antwortete ihnen - Markus 12:15 - 17: „Was versucht ihr mich? Bringt mir einen Denar, damit ich ihn sehe! Sie aber brachten ihn. Und er spricht zu ihnen: Wessen ist dieses Bild und die Aufschrift? Sie aber sagten zu ihm: Des Kaisers. Jesus aber sprach zu ihnen: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist! Und sie verwunderten sich über ihn.”

Wenn der Kaiser euch Abgaben auferlegt, die angemessen und wohl begründet sind, dann muß dem Folge geleistet werden. Damit befindet man sich keinesfalls in Opposition zu Gottes Geboten, die man ja auch einhalten muß.

Diese Antwort hatte nichts Ausweichendes; sie bezog sich allein auf die gestellte Frage und war eindeutig, auch wenn damals die religiösen Führer ihre Tragweite nicht erfaßten und sie nur feststellten, daß ihr Plan, Jesus Schwierigkeiten zu bereiten, nicht aufging.

In seiner Antwort offenbarte Jesus seine geistige Überlegenheit, seine Weisheit von oben, wie wir es in Jakobus 3:17 und 18 dargestellt sehen: „Die Weisheit von oben aber ist erstens rein, sodann friedvoll, milde, folgsam, voller Barmherzigkeit und guter Früchte, unparteiisch, ungeheuchelt. Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden denen gesät, die Frieden stiften.”

Wir sollen wir nun Jesu Antwort auffassen?

Auch wenn wir Leibeigene wären - die es in unserem Land nicht mehr gibt, wie wohl es sie gegeben hat -, aber auch als heutige Diener oder Arbeiter, also als Lohnempfänger, müssen wir unseren Arbeitgebern, unseren Vorgesetzten zuverlässig dienen, auch wenn wir nicht gegen das Gesetz oder den Willen Gottes oder gegen unser Gewissen handeln dürfen. Unser Arbeitgeber hat unsere Zeit oder wenigstens einen Teil unserer Zeit gekauft, und daher schulden wir ihm, unsere Aufgaben gewissenhaft zu erledigen, so wie es dem Arbeitsvertrag entspricht. Wer eine Pflicht zu erfüllen hat, soll dies treu und zuverlässig tun.

Da besteht kein Widerspruch zu unserem Gottesdienst. Der Herr hat gesagt: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.”

Wer in diesem Punkt treu ist, tut den Willen seines Himmlischen Vaters. Ein Konflikt bestünde nur dann, wenn dieser weltliche Herr von uns einen Dienst verlangen würde, der im Widerspruch zu den Geboten unseres Herrn stünde. Alle Dinge müssen durch das Gewissen geprüft werden. Mit diesen Gegensätzen haben wir täglich zu tun, denn wir leben in einem Zeitlauf, der seit dem Sündenfall Adams vom Widersacher regiert wird; unsere Aufgabe ist es nun, gegen diese Angriffe oder Hinterhalte zu kämpfen.

Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen, sehen wir, daß der Fürst dieser Welt gebunden werden muß und ein Jahrtausend lang nicht mehr die Völker verführen kann, denn ein anderer König hat die Herrschaft angetreten: Jesus und seine Kirche.

Wie wird dies in der Praxis dann aussehen?

In jedem Zeitlauf wird es nur einen Herrn geben, und alle werden auf ihn hören. Niemand wird mehr Tribut an Cäsar entrichten. Alle werden wissen, daß Christus allein Herr ist, der die Regierungsgewalt innehat und das Recht, Anordnungen zu treffen. Kein Bewohner der Erde wird in Unkenntnis sein über die Herrlichkeit Gottes, über Seine Gerechtigkeit, Seine Macht, Seine Weisheit und Seine Liebe. Alles, was der Herr von ihnen verlangen wird, werden sie gutheißen, versehen und ihm Folge leisten.

Die Pharisäer und Herodianer mußten verärgert ihr Unvermögen eingestehen; sie sahen, daß sie Jesus keine Falle stellen konnten und gingen weg. Da traten die Sadduzäer auf den Plan und kamen zu Jesus in dem gleichen Bestreben, ihm eine Fangfrage zu stellen. Zum besseren Verständnis dieser Begegnung muß man wissen, wer die Sadduzäer sind.

Ihre Anzahl war nicht groß; sie waren gebildet und meistens wohlhabend und einflußreich und bekleideten öffentliche Ämter. Anders als die Pharisäer, die großen Wert auf die Traditionen aus früheren Zeiten legten, beriefen sich die Sadduzäer ausschließlich auf das Lehrgebäude in der Heiligen Schrift, allein das Gesetz in seiner schriftlichen Form hatte bei ihnen Bedeutung. Sie nahmen jedoch für sich das Recht in Anspruch, das Gesetz nach ihrem Belieben auszulegen. Und auch die Auferstehung so wie die Belohnung in der Zukunft verneinten die Sadduzäer, im Gegensatz zu den Pharisäern. Das galt auch für die Existenzform auf geistiger Stufe.

Sie bildeten in den Augen der Bevölkerung die Klasse der Gelehrten, und sie waren der Meinung, daß alle anderen Leute wegen des Auferstehungsglaubens eine falsche Auffassung von der Zukunft der Menschheit hatten.

Sie glaubten, daß die Existenz des Menschen bei seinem Tod definitiv und ohne Aussicht zu Ende ist. Daher stellten sie Jesus eine Frage, mit der sie die Angreifbarkeit seiner Lehre so wie den Irrglauben ihrer Landsleute, die an die Auferstehung der Toten glaubten, nachweisen wollten. Ihre Frage unterstellte eine hypothetische, wenn auch denkbare Situation und bezog sich auf das Gesetz Moses bezüglich der Ehe.

Wir lesen 5. Mose 25:5 - 10: „Wenn Brüder zusammen wohnen und einer von ihnen stirbt und hat keinen Sohn, dann soll die Frau des Verstorbenen nicht auswärts einem fremden Mann angehören. Ihr Schwager soll zu ihr eingehen und sie sich zur Frau nehmen und mit ihr die Schwagerehe vollziehen. Und es soll geschehen: der Erstgeborene, den sie dann gebiert, soll den Namen seines verstorbenen Bruders weiterführen, damit dessen Name aus Israel nicht ausgelöscht wird. Wenn aber der Mann keine Lust hat, seine Schwägerin zu nehmen, dann soll seine Schwägerin ins Tor hinaufgehen zu den Ältesten und soll sagen: Mein Schwager weigert sich, seinem Bruder den Namen in Israel aufrechtzuerhalten; er will die Schwagerehe mit mir nicht eingehen. Und die Ältesten seiner Stadt sollen ihn rufen und mit ihm reden. Doch stellt er sich dann hin und sagt: Ich habe keine Lust, sie zu nehmen, dann soll seine Schwägerin vor den Augen der Ältesten zu ihm hintreten und ihm den Schuh von seinem Fuß abziehen und ihm ins Gesicht spucken. Und sie soll antworten und sagen: So soll dem Mann geschehen, der das Haus seines Bruders nicht bauen will! Und sein Name soll in Israel heißen »Haus des Barfüßers«.”

Durch diese Frage wollten sie zeigen, daß die Auferstehung schlecht ist, und daß durch sie ein großes Durcheinander entsteht.

Und was antwortete Jesus? - Markus 12:24 - 27: „Irrt ihr nicht deshalb, weil ihr die Schriften nicht kennt und nicht die Kraft Gottes? Denn wenn sie aus den Toten auferstehen, heiraten sie nicht, noch werden sie verheiratet, sondern sie sind wie Engel in den Himmeln. Was aber die Toten betrifft, daß sie auferweckt werden: Habt ihr nicht im Buch Moses gelesen, wie Gott beim Dornbusch zu ihm redete und sprach: »Ich bin der Gott Abrahams und der Gott Isaaks und der Gott Jakobs«? Er ist nicht der Gott von Toten, sondern von Lebenden. Ihr irrt sehr.”

Diese Antwort zwang die Sadduzäer zu schweigen, und sie gab ihnen reichlich Gelegenheit zum Nachdenken. Und uns hilft die Antwort zum Verständnis der Lebensumstände der Menschheit in der Zukunft.

Nach dieser Unterredung führte Jesus ihnen vor Augen, daß sie den Geist des Wortes Gottes nicht verstanden, wenn sie meinten, daß das Alte Testament nicht von Auferstehung spricht. Dafür erläuterte er etliche Abschnitte der Schrift, aus denen die Tatsache der Auferstehung hervorgeht. Als Beispiel erinnerte sie Jesus an die Begebenheit, als Gott aus dem brennenden Dornbusch zu Mose sprach: 2. Mose 3:6: „Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht, denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.”

Mit diesen Worten bekundete Jesus, daß Abraham, Isaak und Jakob, die längst verstorben waren, die Hoffnung auf ihre Auferstehung hatten, denn Gott sprach von ihnen als ein Gott der Lebenden und nicht der Toten. Sonst hätte Gott gesagt: Ich war der Gott Abrahams, Isaaks … . Er hat damit eine eindeutige Hoffnung ausgedrückt, eine Verheißung in der Antwort an Moses.

So viel zu der zweiten von den Sadduzäern an Jesus gerichteten Fangfrage.

Betrachten wir nun eine weitere Frage:

In den folgenden Versen aus dem Markusevangelium heißt es, daß ein Schriftgelehrter oder Rechtsgelehrter sich für die Worte Jesu interessierte, nachdem er der Diskussion der Pharisäer und Sadduzäer gefolgt war, und seinerseits eine Frage stellte.

Markus 12:28: „Welches Gebot ist das erste von allen?”

In seiner Antwort nannte Jesus zwei Gebote, die die zehn anderen Gebote des am Sinai verkündeten Gesetzes in sich schlossen. Hat nun Jesus diese zwei neuen Gebote erfunden? In Wahrheit standen sie bereits in den Schriften.

Markus 12:30: „… und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele und aus deinem ganzen Verstand und aus deiner ganzen Kraft!”

5. Mose 6:5: „Und du sollst den HERRN, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft.”

Markus 12:31: „Das zweite ist dies: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!« Größer als diese ist kein anderes Gebot«.”

3. Mose 19:18: „Du sollst dich nicht rächen und den Kindern deines Volkes nichts nachtragen und sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der HERR.”

Dieser Schriftgelehrte, ein aufrichtiger Mann, hatte nichts auszusetzen daran, daß Jesus von allen Geboten des Alten Testaments nur zwei herausnahm. Der Gelehrte ließ sich nicht nur von der vorher gegebenen Antwort überzeugen, sondern auch durch dieses Zusammenfassen aller Gebote; er erkannte die Weisheit Jesu, die sich in der Auslegung der Glaubenslehre Israels offenbarte. Und was antwortete der Schriftgelehrte?

Markus 12:32 und 33: „Recht, Lehrer, du hast nach der Wahrheit geredet; denn er ist einer, und es ist kein anderer außer ihm; und ihn zu lieben aus ganzem Herzen und aus ganzem Verständnis und aus ganzer Seele und aus ganzer Kraft und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist viel mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.”

Aus diesen Worten können wir erkennen, daß der Mann aufrichtig war. Und Jesus sagte zu ihm (Vers 34): „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.”

Diese Charakterisierung trifft nur auf Menschen zu, die beginnen den schmalen Weg zu gehen und die in seinem Dienst alles opfern was sie besitzen. Daher läßt sich die praktische Erfüllung des Gesetzes so zusammenfassen: Sie ist Liebe zu Gott aus ganzem Herzen, eine Liebe, die uns antreibt, alles im Dienst des Herrn zu tun, sowie Liebe für unseren Nächsten, diese Liebe, die in uns Freude auslöst, wenn wir die frohe Botschaft „für alles Volk” verkünden.

Lesen wir nun das Ende von Vers 34: „Und es wagte niemand mehr, ihn zu befragen.”

Alle diese Eiferer hatten Angst davor, in eine Diskussion mit Jesus einzutreten oder einen gegenteiligen Standpunkt zu vertreten, denn sie sahen, daß sich dies gegen sie wenden würde, und daß Jesus dadurch um so mehr vom Volk hochgeschätzt würde.

Jesus lehrte weiter im Tempel und sagte zu ihnen (Verse 38 - 40): „Hütet euch vor den Schriftgelehrten, die in langen Gewändern einhergehen wollen und die Begrüßungen auf den Märkten und die ersten Sitze in den Synagogen und die ersten Plätze bei den Gastmählern lieben; die die Häuser der Witwen verschlingen und zum Schein lange Gebete halten! Sie werden ein schwereres Gericht empfangen.”

Mit diesen Worten wollte Jesus nicht sagen, daß alle Schriftgelehrten, alle Gesetzeskundigen ein derartiges schlechtes Verhalten an den Tag legten, oder daß sie einen schlechten Charakter haben; seine Worte bedeuteten vielmehr: Man hat euch zu allen Zeiten beigebracht, eure Meister zu achten; seid jedoch vor denen auf der Hut, die so handeln, wie es in diesem Ausspruch dargestellt wird, denn solche Leute sind von Reich Gottes weit entfernt. Ihr Egoismus offenbart sich in den Gesten, die ich euch beschrieben habe. Auch ihre Wahrhaftigkeit sieht man aus ihren Werken und ihrer Geisteshaltung.

Diese Lektion geht auch uns heute an. Es ist nicht unsere Aufgabe, unbedingt auf alle gelehrten Theologen zu hören und ihnen zu folgen, sondern wir sollen klug und vorsichtig sein. Wer sich durch seine hohe Bildung hervorhebt und wer in langen Gewändern daherkommt, anstatt sanft und demütig an Gesinnung und Betragen zu sein, wer die vorderen Plätze einnimmt und mit den normalen Leuten nichts zu tun haben will, der ist nicht der wahre Hirte seiner Schafe. Hüten wir uns vor solchen Leuten, denn es steht geschrieben (Jakobus 4:6): „Er gibt aber desto größere Gnade. Deshalb spricht er: »Gott widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er Gnade«.”

Und noch eine Lektion geht aus den Worten Jesu hervor, eine Lektion, die ausdrücklich an die gerichtet ist, die sich dem Herrn geweiht haben, das geistige Israel, die Menschen, die das Vorrecht haben, das Wort Gottes zu kennen und die gegen den Geist der Welt ankämpfen sollen, gegen die Selbstsucht.

Wenn jemand in seinem Verhalten Dinge feststellt, die der Herr tadelt, sollte er sie sogleich abstellen. Wenn jemand an sich wahrnimmt, daß er über andere herrschen möchte, daß er Ehre liebt, egoistisch oder neidisch ist, wer nach Auszeichnungen oder Titeln strebt, dann sollte er auf der Hut sein.

Es ist von geringer Bedeutung, wenn sich jemand durch große Intelligenz vor anderen auszeichnet; wenn er jedoch dem Hang nach Eigensucht nachgibt, dann ist er in Gefahr, und er braucht Gottes Gnade, um aus diesem Abgrund der Selbstsucht herauszukommen, denn sonst nistet sie sich bei ihm ein.

Je mehr jemand studiert, Erkenntnis erwirbt, desto gewisser wird er zu einem Schriftgelehrten, zu einem Doktor des Rechts, und desto strenger wird das Urteil über ihn sein, wenn er nicht alles Tadelnswerte von sich entfernt.

In den folgenden Versen hat Jesus diese Lektion noch auf andere Weise und unter einem anderen Gesichtspunkt vorgestellt. Er wollte seinen Jüngern zeigen, daß sie nicht nach dem, wie ein Mensch sich gibt, urteilen sollten, sondern das betrachten sollen, was Gott betrachtet: das Herz. Viele von denen, die die Achtung der Menschen genießen, sind ein Greuel in den Augen Gottes. Und viele, die von der Welt abgelehnt werden, sind Juwelen bei Gott. Dies zeigte Jesus mit dem Beispiel der armen Witwe, die zwei kleine Münzen in den Opferstock warf, und er sagte (Markus 12:43): „Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle, die in den Schatzkasten eingelegt haben.”

In dieser Weise wird unsere Liebe und unsere Weihung vom Herrn gewürdigt. Wer einen Menschen liebt, wird sich anstrengen ihm Gutes zu tun, und er wird dies tun proportional zu dem Maß der Liebe, die er für diesen Menschen empfindet.

Wer wohlhabend ist, kann große Spenden machen, und er wird Segen davon ernten, aber die Armen, die nur kleine Geschenke machen können, dürfen sich daran erinnern, daß der Herr ihr Handeln in seinem Dienst sehr wertschätzen wird. Der Herr sieht und würdigt ihre Bemühungen, auch wenn sie in den Augen der Menschen sehr gering, sehr schwach erscheinen.

Vom göttlichen Standpunkt aus gesehen sagte Jesus dazu: „Diese arme Witwe hat mehr eingelegt als alle, die in den Schatzkasten eingelegt haben.”

Selbst wenn wir vielleicht nur bescheidene Gaben haben und auch die Gelegenheiten zu dienen wenige sind, wenn unsere Opfer oder Gaben von den Mitmenschen wegen ihrer Geringfügigkeit nicht entsprechend gewürdigt werden, so wird uns doch unser Lohn zuteil in dem Maße, wie wir die rechte geistige Einstellung dazu haben und das Bedürfnis, Opfer zu bringen. Eine große Ermutigung zum Opfern für alle, die den Herrn lieben.

Wer stolz oder affektiert Werke tut und sich damit zeigt, um von den Menschen gesehen zu werden, bekommt seine Belohnung in der Jetztzeit, während seines Lebens auf der Erde, und er wird von den Leuten, denen er imponiert hat, hoch geschätzt. Diese arme Witwe aber, obwohl sie nur zwei kleine Münzen eingeworfen hat, also sehr wenig in den Augen der Menschen, und dies noch dazu, ohne daß jemand davon Notiz genommen hat, diese Witwe darf gewiß sein, daß sie von Gott gesegnet wird. Ihr Handeln wurde vom Herrn gelobt, dies sollte uns ermutigen, Gleiches zu tun.

Laßt uns daher jetzt jede Gelegenheit zum Dienst ergreifen, damit wir einen Schatz im Himmel sammeln, den weder Rost noch Motten fressen, und vom Herrn anerkannt werden als guter und treuer Knecht.



Tagesanbruch Bibelstudien- Vereinigung